Erasmus+ Fortbildung: Schulen in Schweden

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Kaum stand ich in Stockholm ratlos nach dem Weg suchend herum, sprach mich ein hilfsbereiter Schwede an, um mir zu helfen. Und genau dieser Satz beschreibt auch hervorragend, wie in Schweden Schule verstanden wird: Als Hilfe und Begleitung, seinen Weg selbst zu finden.

Im Rahmen einer Erasmus+ Fortbildung durfte ich Ende September zusammen mit 50 anderen Lehrerinnen aus 10 europäischen Ländern eine Woche lang verschiedene Schulen in Stockholm besuchen. Die Erfahrungen, die wir bei den Schulbesuchen machen konnten, verglichen wir dann mit den Schulsystemen und Arbeitsbedingungen der anderen europäischen Länder, um so herauszufinden, welche „guten Ideen“ vielleicht kurz- oder langfristig in unsere eigene Schule bzw. das jeweilige Schulsystem übertragbar sind.

Schwedische Schulen sind im Vergleich zu unseren Schulen vor allem eins: paradiesisch ausgestattet! Der Schulbesuch ist für die Kinder vollkommen kostenfrei – Bücher, Hefte, Stifte, Ausflüge, gesundes Mittagessen – alles wird über die Steuer finanziert. In den höheren Klassen bekommen Kinder sogar ein Taschengeld ausgezahlt, wenn sie nach Ende ihrer Schulpflicht weiter zur Schule gehen möchten!

Besonders beeindruckt hat mich der Besuch in zwei vierten Klassen: Zwei Klassenräume werden für Neueinführungen und Klassengespräche genutzt. Darüber hinaus teilen sich die beiden Klassen einen großen, freundlich und funktional eingerichteten Vorraum mit einem großen Tisch, einem gemütlichen Sofa, einem riesigen Teppich, mit Küche und zwei Toiletten. An diesen Mehrzweckraum angeschlossen sind ein Bastelzimmer und zwei Miniräume, in die man sich zurückziehen kann sowie ein Büroraum für das Lehrerinnenteam. Die Kinder dürfen sich in diesen Räumen frei bewegen, sie arbeiten entspannt und leise einzeln oder in Gruppen an unterschiedlichen Orten im sitzen, stehen, liegen. Zur freien Verfügung gibt es für jedes Kind ausreichend viele I-Pads, Kopfhörer, ein Farbdrucker, Bastelmaterial, eine Videokamera und eine Wand mit Greenscreen. Zur Hofpause gehen die Kinder dann durch eine „Schmutzschleuse“, in der Jacken, Gummistiefel, Schneehosen aufbewahrt werden – dort steht sogar ein Trockner! Neben den beiden Lehrerinnen arbeiten im Schulvormittag noch 4 weitere Erwachsenen mit, um die Kinder zu unterstützen. An jeder Schule gibt es Krankenschwestern, Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen, Computerexperten, eine Bibliothekarin, Köche…..

Bildung wird in Schweden gesellschaftlich extrem wichtig genommen, gleiche Bedingungen für jedes Kind zu schaffen und die Berufstätigkeit beider Eltern zu ermöglichen ist Ziel dieses kostenfreien Schulsystems. Schule als Wohn- und Wohlfühlraum für alle – Kinder lieben ihre Schule!

Auch, wenn diese Bedingungen wohl nicht so leicht auf das deutsche Schulsystem übertragbar zu sein scheinen, ist unsere Schule für deutsche Verhältnisse sehr gut und gemütlich ausgestattet. Sehr viele gute Ideen, die ich in Schweden sehen konnte, sind auch an unserer Schule bereits vorhanden, evtl. lohnt sich hier ein weiterer Ausbau: Die Ausgestaltung unserer Schule zu einem gemütlichen Lebensraum liegt uns schon lange am Herzen und wird sicher auch weiter vorangetrieben werden, Aula und Flure werden schon jetzt als Lern- und Rückzugsraum für die Kinder genutzt. Vielleicht kann ja bei einem eventuellen Erweiterungsbau ein besonderes Augenmerk auf nutzbare Flure und Nebenräume gelegt werden? Schule als Wohlfühlraum für alle bedeutet auch, einen starken Fokus auf Umgangsformen des Miteinanders zu legen und Schulregeln, aber auch Werte wie Toleranz, Respekt, Offenheit im Umgang miteinander auch weiterhin im Blick zu behalten. Auch diesen Weg gehen wir bereits! Demokratie als Lernziel wird in Schweden schon bei sehr kleinen Kindern angebahnt (im Kindergartenalter stehen Menschenrechte und demokratische Entscheidungen auf der Agenda!). Auch da sind wir bereits gut aufgestellt – Klassenrat, Klassensprechersysteme, Schulversammlung, Mitbestimmung der Kinder als Grundprinzip. Es kann nicht schaden, die Vermittlung demokratischer Werte und Prinzipien weiterhin vorzuleben, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kinder zu erweitern und demokratische Themen in allen Klassenstufen zu thematisieren!

Selbstverständliche Nutzung neuer Medien im Unterricht kann auch bei uns noch verstärkt werden, dazu werden wir in Zukunft weitere Netbooks anschaffen. Auch die Wichtigkeit von Englisch als Weltsprache und europäische Basis ist mir noch einmal bewusst geworden! Die Anschaffung von „Sally“ als anspruchsvolles Lehrwerk geht hier in die meiner Meinung nach richtige Richtung. Die englische Sprache in jedem Unterricht zum Beispiel für wiederkehrende Aufforderungen zu nutzen (zum Beispiel: „Can you show me your homework, please?“, „Please take out your folders for mathematics!“) erscheint mir als gute, leicht umzusetzende Idee, um die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder nebenbei zu erhöhen.

Kritisch anzumerken ist jedoch auch, dass schwedischen Schulen trotz dieser hervorragenden Ausstattung in internationalen Vergleichstests nicht besser abschneiden als die deutschen Schulen. Oder umgekehrt formuliert, scheinen wir mit unserem deutlich geringeren finanziellen Aufwand in Deutschland dennoch sehr effektives Lernen zu ermöglichen. Jedoch gelingt es in Schweden besser als bei uns, dabei soziale Unterschiede der Kinder auszugleichen. Kinder lernen dort extrem entspannt, es gibt viele Jahre keinerlei Notendruck und die Kinder lernen mit sehr viel Lernfreude.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mich die Schulbesuche und der Erfahrungsaustausch mit Lehrern aus anderen europäischen Ländern sehr bereichert haben – es war eine sehr inspirierende und gewinnbringende Fortbildung!

Und manche Dinge scheinen in allen Schulen der Welt gleich zu sein……

„Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung (Mitteilung) trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.“